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Der Totenstein - ein Naturheiligtum uralter heidnischer Zeiten?


"Nach der von vielen angenommenen meinung, diente die platform des felsens rechter hand, zu einem opferplaz. Man zeigt den ort, wo der abgott gesessen, und den stein, der zum altar gedient hat. Wie aber der goetze geheissen hat, der hier verehrt wurde, weiss niemand zu sagen. Ueberhaupt wissen wir sehr wenig von dem goetterdienst der alten Germanen (...)".

So schrieb Carl Adolph von Schachmann, Besitzer der Domäne Königshain, in seinem 1780 erschienenen Büchlein "Beobachtungen über das Gebirge bey Koenigshayn" über den Totenstein in den Königshainer Bergen. Noch bis ins 18. Jahrhundert sollen die Bewohner von Königshain und Umgebung alljährlich in der Passionszeit, am 3. Sonntag (Lätare) vor Ostern zum Totenstein gezogen sein, um dort den Tod (= Winter) auszutreiben. Dieser Brauch blieb für das Felsmassiv bis heute namengebend. Noch immer lässt die Lage des Felsens und seine durch Auswaschungen entstandene und nur scheinbar von Menschenhand geschaffene Form an ein "uraltes Naturheiligtum" denken.

Dieser Eindruck wird durch kleine, von Menschen in den Stein gepickte Schälchen unterstrichen, die sich zu mehreren Gruppen oben auf dem Felsen befinden. Solche Schälchen sind u.a. auch aus Norddeutschland und Skandinavien bekannt und werden von den Archäologen mit rituellen Handlungen in Verbindung gebracht. Die religiöse Funktion der Einpickungen oder auch der Charakter der Rituale ist uns nicht überliefert. 1937 erkennt der Leiter der Universitätssternwarte Leipzig, Josef Hopmann, in der Stellung der auf dem Felsen entdeckten Schälchen zueinander die Darstellung von Sternbildern oder Teile von solchen. Andere Forscher glaubten, dass in die nur flachen Schälchen Speiseopfer oder vielleicht Blut gefüllt wurde. Tatsächlich nachweisbar ist keine der Deutungen. Ebenso wenig lässt sich das Alter der Schälchen bestimmen.


Bereits von Schachmann erwähnt zahlreiche archäologische Fundstücke vom Totenstein. Prominenteste Entdeckung ist die sogenannte slawische Tonlampe, die aus dem 12. Jahrhundert stammt und bis heute in der umfangreichen Ur- und Frühgeschichtssammlung des Kulturhistorischen Museums erhalten geblieben ist. Nach neuesten Erkenntnissen handelt es sich allerdings um keine Öllampe, sondern um eine sogenannte Aquamanile - eine Art Wasserkanne, die im Mittelalter für rituelle Handwaschungen vor der Einnahme von Mahlzeiten Verwendung fand.


Gleichzeitig weist von Schachmann auf die Bedrohung des Felsens durch Raubgräberei hin: "Tausende besuchten den felsen, und durchwühlten die erde der platforme, um urnen und vielleicht auch um schaetze zu entdecken. Bey dieser gelegenheit wurde vieles zerbrochen, und das ganze so gut wie viele scherben mit fortgeschleppt." Der Vergleich mit alten Landschaftsansichten des 18. Jahrhunderts zeigt darüber hinaus die massiven Veränderungen des Geländes durch den Granitbergbau. Die bereits 1844 erfolgte Unterschutzstellung durch den preußischen König gewährleistete immerhin die Erhaltung der Felsgruppe. Die Anlage von Schotterhalden und die beängstigend tiefen Steinbrüche unmittelbar im Vorfeld des Totensteins waren dadurch dennoch nicht zu verhindern.


Ist der Totenstein also tatsächlich ein Ort lange vergessener heidnischer Opferhandlungen und Rituale gewesen? Die archäologischen Funde sprechen dagegen. Die Ausgrabungen der Jahre 1930, 1935 und 1938 auf dem Felsen und an dessen Fuß durch Mitarbeiter der Abteilung Ur- und Frühgeschichte des Görlitzer Museums förderten eine Fülle an zum Teil sehr bedeutenden Fundstücken zu Tage. Darunter befinden sich bronzene Pfeilspitzen, die Gussform einer Bronzesichel, tönerne Spielsteine und zahlreiche Scherben von Gebrauchskeramik. Die Masse der Gegenstände darf in die ausgehende Bronzezeit, also etwa in die Zeit um 800 v. Chr. datiert werden. Einige Funde - dazu zählt die vermeintliche Tonlampe - sind slawischen Ursprungs und stammen aus dem 12. Jahrhundert n. Chr. Ähnliche Funde kennen wir vom Oybin, von der Landeskrone, von der Schanze bei Ostro oder auch von Nieder Neundorf. Dort haben sich in strategisch günstiger Lage schon zur Bronze- und frühen Eisenzeit, oftmals auch in slawischer Zeit starke Burganlagen befunden, die sicherlich sowohl zentraler Marktort als auch Sitz eines regionalen Herrschers gewesen sind. Schon die exponierte Lage des Totensteins, die einen weiten Einblick in die Landschaft gestattet, lässt auch hier an eine solche Befestigung denken. Diese Vermutung wird nicht zu- letzt durch die Funde bronzezeitlicher Pfeilspitzen sowie durch die Aquamanile bekräftigt. Die Sitte ritueller Handwaschung ist im Mittelalter ausschließlich aus adeligen, großbürgerlichen oder kirchlichen Gesellschaftskreisen überliefert. Demzufolge hat sich lange nach der bronzezeitlichen Burg noch im 12. Jahrhundert auf dem Totenstein ein befestigter Adelssitz befunden. Ehemals vorhandene Wallanlagen oder Grabenwerke der Bronzezeit oder slawischer Zeit wurden bereits vor Jahrhunderten durch den Steinbruch restlos beseitigt. Nur der Totenstein - vielleicht eine Art Ausguck - hat bis heute überdauert
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(entnommen aus dem Goerlitzer Amtsblatt, Ausgabe 14-2000)

 



 
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